Gründe, mit Kontaktlinsen schlafen zu gehen, gibt es viele. Das habe ich mit der Zeit gelernt. Im Zimmer eingeschlossen und die Türklinke ist abgefallen, der Hund hat den Linsenbehälter gefressen oder die spontane Reise an einen Ort fernab der Zivilisation – besondere Umstände erfordern besondere Vorgehensweisen. I get it. Dann müssen die Kontaktlinsen wohl oder übel über Nacht auf den Augen bleiben.

Oder?

Mit einem einfach „Ja“ ist diese Frage genauso wenig zu beantworten wie mit einem empörten „Nein, bloss nicht!“.

Warum?

Wie so oft im Leben geht es ums Abwägen. Und um die Betrachtung der individuellen Situation. Das setzt voraus, dass ihr die nötigen Informationen habt und die Risiken kennt, die das Schlafen mit Kontaktlinsen mit sich bringt. Und die zeige ich euch heute.

Schlafen mit Kontaktlinsen: Ein Traum für Bakterien

Grundsätzlich ist das Risiko für eine Hornhautentzündung erhöht, wenn Kontaktlinsen über Nacht auf den Augen verbleiben. Denn sowohl die Sauerstoffversorgung des Auges als auch der Tränenfilm verändern sich bei geschlossenem Auge. Es hat deutlich weniger Sauerstoff für die Versorgung und Regeneration zur Verfügung. Und da wir nicht blinzeln und weniger Tränen produzieren, werden Zellreste und Mikroorganismen nicht abtransportiert. Kommt nun eine weiche Kontaktlinse dazu, die fest auf dem Auge sitzt und ihren „Schmutz“ vom Tag bereits mitbringt, haben Bakterien ideale Bedingungen, um sich darauf abzusetzen und sich zu vermehren. Da die Linse weder bewegt noch mit Tränenflüssigkeit „abgespült“ wird, kann sich die Bakterienkonzentration über Nacht schnell erhöhen – das Risiko für eine Infektion steigt.

Nach der Nacht mit Kontaktlinsen: Nur scheinbar alles wie immer

Das Tückische: Komplikationen machen sich anfangs oft nicht bemerkbar. Alles scheint wie immer und der Gedanke „Na so schlimm kann es ja nicht sein, mit Kontaktlinsen zu schlafen“ schleicht sich ein. Derweil schreitet die Infektion voran und erst Wochen oder gar Monate später zeigen sich die ersten Symptome: Rötungen, Reizungen oder stechende Schmerzen. Je nach Schwere der Entzündung ist die Gesundheit eurer Augen nun ernsthaft in Gefahr. Daher solltet ihr nicht lange überlegen oder gar anfangen, selbst an euch rumzudoktorn – etwa mit Augentropfen – sondern die Kontaktlinsen draussen lassen und schnellstmöglich euren Anpasser oder eure Anpasserin aufsuchen bzw. direkt zum Augenarzt oder zur Augenärztin gehen.

Dieses Szenario ist der worst case. Er sollte euch bewusst sein, wenn ihr vor der Entscheidung steht, mit Kontaktlinsen schlafen zu gehen. Er muss nicht eintreten und hoffentlich tut er es auch nie, aber er kann. Auch nach nur einer Nacht mit Kontaktlinsen.

Je jünger die Kontaktlinsen, desto schwerer die Entscheidung

Die Entscheidung, die Linsen zu entsorgen, statt sie beim Schlafen auf den Augen zu lassen, fällt natürlich schwerer, wenn die Monatslinsen erst seit zwei, und nicht schon seit 20 Tagen in Benutzung sind. Wenn ihr Jahreslinsen tragt, die noch nicht lange im Gebrauch sind, fällt die Entscheidung sogar ziemlich sicher gegen das Wegwerfen aus. Das ist nachvollziehbar. Und trotzdem bleibt das oben beschriebene Risiko.

Tipps, die Schlafen mit Kontaktlinsen überflüssig machen

Was also tun? Eine abschliessende Antwort kann ich euch nicht geben. Stattdessen habe ich ein paar Tipps für euch, wie ihr gar nicht erst in die missliche Lage kommt zu entscheiden, ob ihr mit euren Kontaktlinsen schlafen geht oder nicht.

1. Notfall-Kit für die Tasche

Ganz spontane Übernachtungen sind, vermute ich, eher die Ausnahme. Aber vielleicht habt ihr öfter „geplant-spontane“ Übernachtungen, etwa wenn ihr einen Partner oder eine Partnerin habt, mit dem oder der ihr nicht zusammenlebt. In dem Fall lohnt es sich, immer ein kleines Notfall-Set, bestehend aus Kontaktlinsen-Behälter und einer kleinen 100ml-Flasche Reinigungslösung, dabei zu haben oder dieses in der Wohnung des oder der Liebsten zu deponieren. Denkt aber daran, die angefangene und nicht aufgebrauchte Lösung regelmässig durch eine frische zu ersetzen.

Kontaktlinsen unterwegs

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2. Tageslinsen nutzen

Tageslinsen sind zwar unter ökologischen Gesichtspunkten nicht ideal, aber mit ihnen fällt die Entscheidung gegen das Schlafen mit Kontaktlinsen und für das Entsorgen leichter, da ihr am nächsten Tag ohnehin ein frisches Paar aufsetzen müsst. Dieses solltet ihr aber dann auch dabei haben. Hier gilt also ebenfalls: Notfall-Kit mit Ersatzlinsen in der Tasche haben oder in der Wohnung des oder der Liebsten lagern.

3. Harte Kontaktlinsen für Dauerträger

Wenn ihr täglich Kontaktlinsen tragt, sind formstabile Kontaktlinsen (oder „harte“ Kontaktlinsen) eventuell die Lösung für euch. Sie haben den Vorteil, dass ihr sie notfalls auch mal trocken aufbewahren könnt, solltet ihr keine Pflegelösung dabei haben. Wenn ihr sie anschließend gründlich desinfiziert, sind sie wieder einsatzbereit.

4. Day-&-Night-Kontaktlinsen nutzen

Es gibt auch weiche Kontaktlinsen, die für das nächtliche Tragen geeignet sind. Allerdings solltet ihr diese nicht “auf gut Glück“ kaufen, nur weil sie euch so praktisch erscheinen. Viele – und ich würde sogar behaupten die meisten – Augen erfüllen nicht die Voraussetzungen, um diese Kontaktlinsen ohne gesundheitliche Risiken zu tragen. Eine gründliche Anpassung und eine engmaschige Kontrolle beim Anpasser oder bei der Anpasserin sind hier absolute Pflicht.

Übrigens: Wusstet ihr, dass es spezielle Kontaktlinsen gibt, die ausschliesslich über Nacht getragen werden und während dieser Zeit eure Sehschwäche korrigieren, sodass ihr am Tag ganz ohne Kontaktlinsen und Brille zurechtkommt? Diese so genannten „Ortho-K-Linsen“ erfordern, ähnlich wie die Day-and-Night-Linsen, eine besondere Anpassung, die nicht jeder Augenoptiker oder jede Augenoptikerin durchführt. Wie diese abläuft und für welche Sehschwächen sich diese speziellen Linsen eignen, zeige ich euch in einem der kommenden Beiträge. Bis dahin plädiere ich uneingeschränkt für ein „Linsen raus“, wenn es ins Bett geht.