Was müsste die perfekte Sehhilfe alles können? – Um die Ecke gucken? Fliegen? Beamen? Heilen? Wünsche erfüllen? – Kontaktlinsen können schon heute beeindruckende Dinge leisten, die vielen gar nicht bewusst sind. Umgekehrt trauen manche Träger:innen ihren Linsen etwas zu viel zu und überlasten sie und ihre Augen damit regelmässig. Heute gucken wir uns daher an, welche Superkräfte Kontaktlinsen haben, und welche nicht. 

Kontaktlinsen können Fehlsichtigkeiten nicht heilen, aber sie vorübergehend verschwinden lassen.

Und das ganz ohne Simsalabim, sondern mit einer ganz speziellen Technologie, der Orthokeratologie. So genannte Ortho-K-Linsen sind spezielle formstabile Linsen (“Hartlinsen”), die die Hornhaut des Trägers oder der Trägerin über Nacht so modellieren, dass er oder sie tagsüber problemlos ohne Brille und Kontaktlinsen sehen kann. 

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Kurzsichtig ins Bett, normalsichtig aufwachen – das fühlt sich tatsächlich ein bisschen wie Magie an und funktioniert bei leichter bis mittlerer Kurzsichtigkeit bis etwa minus 6 Dioptrien. Der Effekt schwindet jedoch mit fortschreitender Tageszeit. Am Abend kann die Sehleistung merklich nachlassen. Gut, dass der Tag dann fast vorbei ist und die Linsen wieder aufs Auge kommen, um über Nacht ihren Zauber walten zu lassen. 

Kontaktlinsen können sich nicht komplett von selbst reinigen – aber auf dem sauberen Tränenfilm schwimmen.

Ohne gute Hygiene kein gesundes Tragen von Kontaktlinsen. Das ist so ziemlich die erste, wenn nicht gar die “Goldene Regel”, die Kontaktlinsenträger:innen lernen. Für die meisten Nutzer:innen ist die abendliche Reinigung nicht mehr oder weniger lästig als das Zähneputzen: Manchmal hat man keine Lust darauf, es muss aber gemacht werden. Und am Ende dauert es gerade mal zwei Minuten. Trotzdem dürfte die selbstreinigende Linse ein Traum sein, den viele Kontaktlinsenfreunde insgeheim hegen. Das würde sie Geld für Pflegemittel sparen und gleichzeitig wäre es weniger bedenklich, die Linsen auch mal ausnahmsweise beim Schlafen zu tragen. Im Moment ist das mit herkömmlichen Weichlinsen oder Hartlinsen nicht ratsam. Zwar gibt es spezielle Day & Night-Kontaktlinsen, die theoretisch 30 Tage und Nächte am Stück getragen werden können. Kontaktlinsen-Fachleute raten aber davon ab, denn die Ablagerungen des Tages erhöhen über Nacht das Infektionsrisiko. 

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Tagsüber dagegen haben Augen und Kontaktlinsen in Kombination tatsächlich eine Art eingebauten Reinigungsmechanismus, der es möglich macht, die Linsen bis zu 16 Stunden am Stück zu tragen. Da Kontaktlinsen auf dem Tränenfilm schwimmen und dieser sich ständig erneuert, werden Ablagerungen mit den alten Tränen teilweise abtransportiert. Das funktioniert jedoch nur dann zuverlässig, wenn die Sehhelfer fachgerecht an die Augen angepasst wurden. Denn nur dann…

  • …hat die Kontaktlinse die richtige Grösse, um genau an der richtigen Stelle auf dem Auge zu sitzen,
  • …hat die Kontaktlinse das richtige Material, um ausreichend Sauerstoff durchzulassen und perfekt mit dem Tränenfilm zusammenzuspielen, der die Linse kontinuierlich nachbenetzt,
  • …sitzt die Linse nicht zu locker und nicht zu fest und kann sich ausreichend auf und mit dem Tränenfilm bewegen. 

Das gute Zusammenwirken von Material und Tränenfilm ist wichtig und wird bei der Anpassung durch den Optiker oder die Optikerin genau überprüft. So kann es zum Beispiel sein, dass der Anpasser oder die Anpasserin von hochsauerstoffdurchlässigen Silikonhydrogellinsen abrät, die vielen Laien als die beste Wahl erscheinen würden. Warum? – Hat der Tränenfilm einen hohen Fettgehalt, kann das zu einem unangenehmen Schleier auf dem Silikonhydrogel führen, der das Sehen beeinträchtigt. Diese so wichtige Tränenfilmanalyse kann niemand allein zu Hause vor dem Spiegel machen. Statt Wunschdenken, Zauberei oder ‘Prinzip Hoffnung’ hilft bei der Linsenwahl nur waschechte Fachkenntnis. 

Kontaktlinsen können nicht für uns denken – wohl aber unser Gehirn herausfordern.

Diese Superpower kommt besonders bei multifokalen Kontaktlinsen zum Tragen, die für die Korrektion von Alterssichtigkeit entwickelt wurden. Im Gegensatz zu bifokalen Linsen, in die nur zwei Sehbereiche (Nah- und Fernsicht) eingearbeitet sind, decken multifokale Linsen auch die mittlere Entfernung ab. Das tun sie durch eine Vielzahl an Sehzonen, die meist kreisförmig in der Linse angeordnet sind. Das Spannende ist, dass die Sehzohnen für alle unterschiedlichen Entfernungen gleichzeitig vor der Pupille sitzen. 

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«Mach ich jetzt einfach so», denkt sich die Linse, wohl wissend, dass das Gehirn sich ohnehin nur auf die Zone konzentriert, die ihr ein scharfes Bild liefert. Alle unscharfen Bilder blendet es einfach aus. Diese Technik ermöglicht es vielen Menschen ab Mitte 40, ganz ohne Lesebrille auszukommen oder diese nur hin und wieder nutzen zu müssen. Da fühlt man sich doch gleich zehn Jahre jünger (oder?). 

Kontaktlinsen können das Auge nicht vor Verletzungen schützen – wohl aber vor Angriffen aus der Natur.

Herumfliegenden Bällen oder Ellbogen haben Kontaktlinsen leider nicht viel entgegenzusetzen. Ihre Superkraft entfalten sie dagegen bei Dingen, die ihnen ein Stück weit ähnlich sind: bei den unsichtbaren nämlich. So schützen viele Kontaktlinsen mit ihrem eingebauten UV-Filter das Auge vor der gefährlichen UV-Strahlung der Sonne, zumindest den Teil, auf dem sie aufliegen. Und auch vor Blütenstaub, den man kaum sieht, aber sehr wohl in Nase und Augen spürt, schirmen Kontaktlinsen die Augen ein Stück weit ab, sodass die Allergiesymptome etwas milder ausfallen.

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Kontaktlinsen können nicht für uns sehen – wohl aber Vorgänge in unserem Körper messen.

Forscher:innen haben bereits vor einigen Jahren Prototypen von Kontaktlinsen entwickelt, die den Blutzuckergehalt messen und sogar entsprechende Wirkstoffe freisetzen können. Das lässt Diabetes-Patient:innen aufhorchen. Und alle, die sich von den Kontaktlinsen der Zukunft noch einiges mehr erhoffen, frei nach dem Motto: Was Virtual-Reality-Brillen können, muss doch auch mit Kontaktlinsen möglich sein. Ob medizinische Messungen oder integrierte Displays – die Forschung experimentiert fröhlich weiter und wir dürfen gespannt sein, womit uns die kleinen unscheinbaren Sehhelfer in Zukunft noch so überraschen werden.