Kontaktlinsen und Wasser – das ist seit jeher eine, nun ja, sagen wir mal komplizierte Beziehung. Eine von der Sorte, in der beide nicht miteinander, aber auch nicht ohne einander können. Eine, um die sich viele Geschichten ranken, über die die Leute spekulieren, bei der jeder gern mitreden möchte. Das alles macht die Beziehung nicht leichter, ganz im Gegenteil. Viel Halbwissen steht im Raum zu der Frage, wie viel Wasser im Zusammenhang mit Kontaktlinsen gut ist, ob es überhaupt gut ist oder nicht doch eher verboten und ob man nicht doch mal ausnahmsweise…
Heute ist daher der grosse Tag des Schlussmachens. Schluss mit Halbwissen. Dafür habe ich die häufigsten Fragen und Vorurteile rund um Kontaktlinsen und Wasser gesammelt und beantworte sie bzw. räume sie aus.
Kontaktlinsen und ihr Wassergehalt: Wie viel Wasser in der Linse ist gut?
Weiche Kontaktlinsen haben einen unterschiedlich hohen Wassergehalt. Dieser ist auf der Linsenverpackung in Prozent angegeben. Kontaktlinsen mit niedrigem Wassergehalt bestehen zu maximal 45 Prozent aus Wasser, von einem mittleren Wassergehalt spricht man bei Linsen mit bis zu 60 Prozent und Kontaktlinsen mit hohem Wassergehalt haben bis 90 Prozent Wasser intus. Je höher der Wassergehalt ist, desto weicher ist auch die Linse. Der Unterschied ist deutlich erkennbar, wenn man etwa eine Hydrogellinse, mit einer Silikonhydrogellinse und einer formstabilen Kontaktlinse vergleicht. Erstgenannte hat den höchsten, letztgenannte den niedrigsten Wassergehalt und fühlt sich entsprechend fester an.
Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass je mehr Wasser eine Kontaktlinse enthält, sie umso verträglicher ist. Mitunter ist sogar das Gegenteil richtig. Gerade bei empfindlichen Augen können formstabile («harte») Kontaktlinsen, also Linsen mit wenig Wassergehalt, auf Dauer verträglicher sein, da sie kleiner sind und besser auf dem Tränenfilm schwimmen. Welche Kontaktlinsen die richtigen sind, ist eine sehr individuelle Angelegenheit, die von vielen Faktoren abhängt. Eine verlässliche Entscheidung ist letztendlich nur mit fachgerechter Begleitung durch einen Optiker oder eine Optikerin möglich.
Kontaktlinsen mit hohem Wassergehalt bei trockenen Augen?
Trockene Augen sind weit verbreitet. Insbesondere bei der Arbeit am Bildschirm und bei trockener Raumluft kann es passieren, dass die Augen nicht ausreichend mit Tränenflüssigkeit benetzt werden und der Tränenfilm “aufreisst». Einige Träger:innen ziehen daraus die Konsequenz, sich am besten Kontaktlinsen mit hohem Wassergehalt zu kaufen, um die Trockenheit auszugleichen. Doch auch das ist ein Trugschluss. Denn tatsächlich entziehen Kontaktlinsen mit hohem Wassergehalt den Augen noch zusätzlich Wasser, weil sie eine viel höhere Oberflächenverdunstung haben als Kontaktlinsen mit geringem Wassergehalt. Für trockene Augen wurden zudem Kontaktlinsen mit integriertem Feuchtigkeitsspeicher entwickelt, die Wasser im Material binden und so den Tragekomfort erhöhen können. Mit Betonung auf «können», denn auch hier spielen wieder mehrere Faktoren eine Rolle, deren Zusammenwirken nur eine Fachfrau oder ein Fachmann beurteilen kann. Bei trockenen Augen oder Problemen mit den aktuellen Kontaktlinsen hilft also am besten, sich bei seinem Anpasser oder seiner Anpasserin Rat zu holen.
Kontaktlinsen und Leitungswasser: Ausnahmsweise ok?
Ausnahmslos: nein. Egal ob ihr es abkocht, noch etwas Kochsalz dazu gebt oder es mit einem wie auch immer gearteten Zauber belegt: Kontaktlinsen und Leitungswasser vertragen sich nicht und sollten voneinander ferngehalten werden. Das gilt insbesondere für weiche Kontaktlinsen, egal, wie viel Wasser sie enthalten. Denn Weichlinsen verformen sich im Wasser, ihre Struktur wird unumkehrbar zerstört. In der Folge sitzen sie nicht mehr richtig auf den Augen und können so die Versorgung der Sehorgane mit Flüssigkeit und Sauerstoff empfindlich stören. Hinzu kommt die hohe Keimbelastung im Wasser unter nicht-sterilen Bedingungen. Würde man Kontaktlinsen in Leitungswasser legen und sie anschliessend aufsetzen, könnten auf einen Schlag unzählige Bakterien ins Auge gelangen und dort Entzündungen hervorrufen. Daher sollten Weichlinsen ausschliesslich in einer passenden Pflegelösung mit desinfizierender Wirkung gelagert werden. Für harte Kontaktlinsen gilt das im Prinzip genauso, auch wenn sie weniger anfällig für Einlagerungen und Verformungen sind.
Kontaktlinsen beim Schwimmen: Darf es ein bisschen Meer sein?
Beim Schwimmen sind Kontaktlinsen eine wunderbare Alternative zur Alltagsbrille, da sie direkt auf den Augen sitzen und ihr euch keine Sorgen machen müsst, sie bei der kleinsten Welle im Wasser zu verlieren. Trotzdem gibt es ein paar Dinge zu beachten. So solltet ihr auch beim Baden im See oder im Meer darauf achten, dass die Linsen möglichst nicht in Berührung mit dem Wasser kommen. Dabei macht es keinen Unterschied, ob es Süss- oder Salzwasser ist. In Gewässern tummeln sich einfach jede Menge Kleinstlebewesen, die nicht auf eure Kontaktlinsen gelangen sollten.
Klar ist aber auch, dass es sich fast nie hundertprozentig vermeiden lässt, es sei denn, ihr tragt eine Schwimmbrille über den Linsen. Da ihr gerade das ja vermutlich nicht wollt, solltet ihr darauf achten, Wasserkontakt mit den Augen auf ein Minimum zu beschränken. Heisst: Macht beim Sprung vom Steg und beim gegenseitigen Nassspritzen die Augen zu und taucht nicht mit offenen Augen, wenn ihr Linsen tragt.
Nach dem Tag am Strand solltet ihr eure Kontaktlinsen relativ zügig absetzen, sie gründlich reinigen und in ihrer Pflegelösung ausreichend lange desinfizieren, bevor ihr sie wieder tragt. Habt für diese Zeit also am besten immer eine Ersatzbrille griffbereit.
Spätestens jetzt habt ihr sicher erkannt: Kontaktlinsen und Wasser lieben und hassen sich gleichermassen. Sie brauchen einander und dürfen dann doch nicht zusammen sein, wie sie und vor allem ihre Träger:innen es gern würden. Aber tröstet euch: Alle grossen Liebesgeschichten dieser Welt sind alles andere als einfach. Die kleinen Sehhelfer befinden sich also in bester Gesellschaft.