Montag 

Liebes Tagebuch,

ich habe mich entschieden: Ich möchte Kontaktlinsen! Den Wunsch trage ich ja schon eine ganze Weile mit mir herum. Als ich dann am Samstag mal wieder tropfnass und mit beschlagener Brille durch den Wald gejoggt bin und mir beim Stolpern über eine Wurzel fast die Beine gebrochen hätte, wurde mir endgültig klar, dass die Brille als einzige verfügbare Sehhilfe mir zu wenig ist. Dass ich in jeder Lebenssituation die ideale Sehhilfe möchte. Zugegeben: Die Vorstellung, mir beim Auf- und Absetzen einer Kontaktlinse ins Auge zu fassen, löst in mir ein unbehagliches Gefühl aus. Aber wenn Millionen andere Menschen das schaffen, bekomme ich das sicher auch hin. 

Mittwoch

Gestern Abend habe ich angefangen, mich im Internet über Kontaktlinsen zu informieren: Welche Kontaktlinsen gibt es? Worauf muss ich achten, wenn ich Kontaktlinsen kaufe? Und welche Kontaktlinsen sollte ich nehmen? – Eigentlich hatte ich gedacht, dass ich “mal kurz” nach Feierabend ein bisschen googele und mir dann direkt meine ersten Kontaktlinsen bestelle. Am Ende war ich fast drei Stunden im Netz unterwegs und Kontaktlinsen gekauft habe ich noch immer nicht. Denn auf vielen Blogs und in Foren weisen Menschen, die sich sehr gut mit Kontaktlinsen auszukennen scheinen, darauf hin, dass Linsen – im Gegensatz zur Brille – auf komplexe Weise mit den Augen zusammenspielen und es viele Faktoren gibt, die darüber entscheiden, welche Kontaktlinse zum jeweiligen Auge passt. Puh, eine richtige Wissenschaft. Eine, die ich selbst nicht überblicke. Da es um meine Augen geht und ich auf keinen Fall riskieren möchte, etwas falsch zu machen, werde ich mich also an einen Optiker oder eine Optikerin wenden. Ich habe mir auch schon eine Adresse herausgesucht. Ist zwar nicht gerade um die Ecke, dafür haben sie dort langjährige Erfahrung in der Kontaktlinsenanpassung. Die Extra-Strecke nehme ich gern auf mich. Ich habe im Netz einige “Horrorgeschichten” gelesen von Menschen, deren Augen sich entzündet haben, weil sie ihre Linsen auf blauen Dunst gekauft, sie zu lange getragen oder falsch gereinigt haben. Das fand ich ganz schön gruselig. Auf der anderen Seite gibt es aber auch viele Erfahrungsberichte von Linsenträger*innen, die von der Freiheit begeistert sind, die ihre Linsen ihnen bieten. Das hat mich nochmal darin bestätigt, wie gern ich Kontaktlinsen haben möchte. Und den richtigen Umgang zu lernen, kann ja nicht soo schwer sein. Hier hoffe ich auf viele nützliche Informationen durch den Optikerbesuch.  

Samstag

Du wirst es nicht glauben: Während ich diese Zeilen schreibe, trage ich Kontaktlinsen! Ich kann es selbst kaum fassen. Ich hatte das Glück, ganz kurzfristig einen Termin bei dem auf Kontaktlinsen spezialisierten Augenoptikbetrieb zu bekommen, den ich Dienstagabend im Netz gefunden hatte. Gestern nach der Arbeit war ich dort – und am Anfang ganz schön aufgeregt. Ich mag es einfach nicht, wenn jemand an meinen Augen “herumfummelt”. Aber letztendlich war es überhaupt nicht schlimm. Die Optikerin war supernett und hat mir vor jedem Schritt genau erklärt, was sie tut. Sie hat meine Augenhornhaut vermessen, meinen Tränenfilm untersucht und ich habe einen Sehtest gemacht. Anschliessend haben wir uns unterhalten und ich habe ihr gesagt, dass ich Kontaktlinsen zwar regelmässig, aber vielleicht gar nicht unbedingt jeden Tag tragen möchte. Mir ist es wichtig, flexibel zu sein. Ich mag meine Brille, aber im Alltag nervt sie mich manchmal ganz schön, vor allem, wenn ich viel in Bewegung bin. Und beim Sport sowieso. Die Optikerin hat mir für den Einstieg weiche Kontaktlinsen empfohlen. Genauer: weiche Tageslinsen. Mit denen kann ich mich erstmal an das Linsentragen herantasten und ausprobieren, wie oft ich sie durchschnittlich in der Woche und im Monat nutze. Gleichzeitig brauche ich mich nicht ums Reinigen der Linsen zu kümmern, weil ich sie nach dem Tragen einfach entsorge und beim nächsten Mal ein frisches Paar nehme. Das finde ich für den Anfang eine wunderbare Vorstellung. 

Wie es bei der Anpassung weiterging, schreibe ich morgen. Ich bin schon etwas müde. Das merke ich auch daran, dass ich meine Kontaktlinsen anfange zu spüren. Heute tagsüber habe ich fast vergessen, dass sie da sind, weil man sie wirklich nicht spürt (es sei denn, man vergisst das Blinzeln zu lange). Meine Optikerin hat aber auch gesagt, dass ich sie nicht länger als zehn Stunden tragen soll. Die sind jetzt rum. Ich melde mich morgen wieder. 

 

Foto von Nataliya Vaitkevich auf pexels.com

Dienstag

Da bin ich wieder. Eigentlich wollte ich ja am Sonntag noch schreiben, wie es mit der Kontaktlinsenanpassung weiterging, aber dann kam einiges dazwischen. Genauer gesagt: meine Kontaktlinsen. Oder vielmehr meine erneute Angst vor dem Auf- und Absetzen. 

Doch nochmal zurück zur Anpassung am Freitag:

Nach den Messungen am Auge und dem Gespräch über meine “Tragewünsche” kam der aufregendste Teil: Ich sollte die Kontaktlinsen das erste Mal aufsetzen. Ich war sooo nervös…Meine Hände haben richtig gezittert. Die Optikerin hat das gemerkt und mich beruhigt. Sie sagte, ich müsse mir gar nicht INS Auge fassen. Es reiche schon, ganz behutsam mit der Linse in Richtung der Augenoberfläche zu steuern und sobald Linse und Auge sich ganz leicht berührten, würde die Linse quasi von allein hinübergleiten. Das habe ich dann auch versucht, aber natürlich hat mein Auge – im wahrsten Sinne des Wortes – “dicht gemacht”. So ging das bestimmt zehn Mal. Und mit jedem Mal wurde ich nervöser. 

Wir haben dann eine Pause eingelegt und uns ein paar Minuten gar nicht mit den Linsen beschäftigt. Das hat mir sehr geholfen. Anschliessend gab mir die Optikerin noch ein paar Tipps, zum Beispiel, dass ich beim Aufsetzen nicht geradeaus auf den “herannahenden” Finger mit der Linse schauen soll, sondern nach oben. Gleichzeitig habe ich das Oberlid mit dem Mittelfinger der anderen Hand sanft hochgezogen. Und Zack – die Linse setzte sich wie von allein aufs Auge. Ich war so happy, das kannst du dir nicht vorstellen. Beim anderen Auge hat es dann schon im zweiten Anlauf geklappt. Und auch das Absetzen ging ganz gut. Nachdem ich die Linsen dann noch drei Mal ohne Hilfe auf- und wieder abgesetzt hatte, durfte ich mit den Kontaktlinsen nach Hause gehen. Das Gefühl, auf einmal ohne Brille scharf sehen zu können, war unglaublich. Ich bin immer noch fasziniert, wie zwei so kleine unsichtbare “Dinger” so etwas schaffen können.

Foto von Nataliya Vaitkevich auf pexels.com

Nun ja, aber so rosig ging es leider nicht weiter. Am Samstagabend, nachdem ich geschrieben hatte, klappte das Absetzen der Linsen noch problemlos. Aber als ich gestern früh ein neues Paar aufsetzen wollte, funktionierte plötzlich gar nichts mehr. Ich hatte einen wichtigen Termin und wollte unbedingt die Linsen tragen. Doch ich bekam sie partout nicht aufs Auge. Nach zehn Versuchen war mein Auge schon ganz rot und ich kurz vor dem Heulen. Ich bin dann mit der Brille zum Termin gefahren und habe anschliessend meine Optikerin angerufen. Sie hat mir gesagt, dass es wichtig ist, die Linsen gerade am Anfang nicht unter Zeitstress aufzusetzen und das Auge nicht durch zu viel Herumprobieren zu überreizen. Und siehe da: Heute früh, als ich entspannt war, ging es wieder ohne Probleme. Morgen habe ich meinen Termin zur Nachkontrolle (ich trage ja noch Probelinsen). Dann entscheidet sich, ob es bei diesen Kontaktlinsen bleibt oder ein anderes Linsenmaterial eventuell noch besser zu meinen Augen passt. Ich bin auf jeden Fall erleichtert, dass ich es heute wieder geschafft habe, die Linsen aufzusetzen. Und ich freue mich auf den Termin morgen. 

Donnerstag

Ich bin jetzt Kontaktlinsenträgerin. 🙂 Der gestrige Termin zur Nachkontrolle ging ganz fix. Die Optikerin hat noch einmal mit ihren Geräten geschaut, ob meine Augen und die Linsen sich gut vertragen. Offensichtlich tun sie das. Ich komme auch immer besser mit ihnen zurecht und spüre sie erst am Abend, wenn ich müde werde.

Foto von Andriyko Podilnyk auf Unsplash

Glücklicherweise hatte die Optikerin noch eine Packung meiner Linsensorte vorrätig, sodass ich ohne Wartezeit mit dem Kontaktlinsentragen weitermachen kann. Sie meinte noch, dass, wenn ich die Linsen nun doch jeden Tag tragen sollte, es vielleicht sinnvoll wäre, auf Monatslinsen umzusteigen. Aber erstmal soll ich schauen, wie ich mit den Linsen zurecht komme und wie oft ich sie tatsächlich nutze. In einem halben Jahr habe ich meinen nächsten Termin zur Nachkontrolle. Bis dahin werde ich wissen, ob ich im Alltag hauptsächlich Brille oder Kontaktlinsen trage. Im Moment trage ich die Linsen tatsächlich fast jeden Tag. Gerade in Kombination mit der Sonnenbrille finde ich sie super praktisch. Und natürlich beim Joggen. Das werde ich jetzt auch tun. Heute ohne die “unsichtbare” Wurzel auf dem Boden fürchten zu müssen, ganz egal, wie das Wetter wird. Ein tolles Gefühl!

 

Titelfoto von Bich Tran auf pexels.com