Ich bin fest davon überzeugt, dass viel mehr Menschen Kontaktlinsen tragen würden, wenn da nicht diese eine kleine Sache wäre. Die mit dem Aufsetzen. Und ich sage bewusst «Auf»setzen, denn das Bild, das viele Menschen im Kopf haben, wenn sie an Kontaktlinsen denken, ist eher eines vom «Ein»setzen. Vom Griff INS Auge, von diesem Gefühl, das jeder kennt, dessen Augapfel schonmal auf Tuchfühlung mit einem Mascara-Stift oder einem Kinderfinger gegangen ist. Es piekt, es brennt. Es ist nicht schön. Und das soll man sich freiwillig jeden Morgen antun? Wenn das so wäre, würde vermutlich kaum jemand Kontaktlinsen tragen. Millionen Menschen tun es aber. Das legt die Vermutung nahe, dass das mit dem Aufsetzen nicht so schlimm sein kann. Und auch ich kann euch versichern: Es ist viel einfacher, als ihr euch das eventuell gerade vorstellt. Alles, was ihr braucht, ist ein wenig Geduld, ein bisschen Übung und vor allem: die nötige Prise Gelassenheit.

Kontaktlinsen aufsetzen: Die richtige Einstellung

Ich bekomme oft Nachrichten wie diese: Katja, ich probiere nun schon seit drei Stunden nonstop vor dem Spiegel, meine Kontaktlinsen aufzusetzen und ich schaffe es einfach nicht. Ich bin verzweifelt und meine Augen sind auch schon ganz rot.

Kontaktlinen aufsetzen

Foto: KGS

Klar, wer nach der Anpassung endlich sein erstes Paar Kontaktlinsen mit nach Hause nehmen darf, will dieses möglichst schnell ausprobieren. Trotzdem ist es wichtig, dies nicht unter Zeitdruck zu tun. Oder mit der Erwartung ranzugehen, dass es sofort klappen muss. Denn das wird es wahrscheinlich nicht. Unser Auge hat einen natürlich Reflex, sich zu schliessen, wenn sich ihm ein unbekanntes Flugobjekt oder Körperteil nähert. Das ist eine wichtige Schutzfunktion, stellt euch aber vor die Herausforderung, eurem Auge beizubringen, dass die Linse auf eurem Finger in friedlicher Mission unterwegs ist. Das wird euer Auge euch allerdings nur glauben, wenn ihr einigermassen entspannt an die Sache rangeht. Stellt euch vor, draussen zieht ein Gewitter auf und jemand steht vor euch, erzählt euch, dass so ein Gewitter eine ganz harmlose Sache ist und während er das sagt, rinnt ihm der Schweiss von der Stirn und seine Knie schlottern. Nicht sehr glaubhaft, oder? Wenn ihr also mit zittrigen Händen vor dem Spiegel steht und krampfhaft versucht, euer Hirn und Auge zu überlisten nach dem Motto «gar nicht schlimm, nun komm schon», sind die Erfolgsaussichten begrenzt.

Daher: Entspannt euch. Es kann nichts passieren. Wenn es nicht gleich funktioniert, ist das nicht die Ausnahme, sondern die Regel und ein Zeichen dafür, dass eure natürlichen Reflexe wunderbar funktionieren. Und: Kontaktlinsen sind so gemacht, dass sie zu eurem Auge passen und das Auge wird dies mit der Zeit wunderbar mitmachen.

Kontaktlinsen aufsetzen: Die richtige Technik

Ihr seid also maximal entspannt, habt keinen wichtigen Termin, zu dem ihr gleich – am besten mit Kontaktlinsen – aufbrechen müsst und richtet euch vor dem Spiegel ein, um erstmals allein zu versuchen, die Linsen aufzusetzen. Folgende Dinge solltet ihr dabei beachten:

  • Ihr sitzt oder steht bequem.
  • Ihr habt ausreichend Licht, um die Kontaktlinse auf dem Finger zu sehen und sie wiederzufinden, sollte sie runterfallen.
  • Die Oberflächen um euch herum sind sauber und fusselfrei.
  • Wenn es euch hilft, nehmt einen Spiegel dazu, in dem ihr euer Gesicht gut sehen könnt.

 

Die folgenden Tipps gelten übrigens für das Aufsetzen weicher Kontaktlinsen. Habt ihr formstabile Linsen, empfehle ich euch diese Anleitung zum Aufsetzen harter Kontaktlinsen.

Nun kann es losgehen.

Bevor ihr die Kontaktlinse auf den Finger setzt, könnt ihr mit ein paar «Trockenübungen» starten. Nehmt dafür den Zeigefinger und führt ihn langsam an das geöffnete Auge heran. Wiederholt das einige Male und beobachtet, wie euer Auge reagiert. Eventuell merkt ihr schon nach einigen Malen eine Verbesserung.
Im nächsten Schritt könnt ihr mit dem Mittelfinger der anderen Hand euer Augenlid leicht nach oben ziehen. Gleichzeitig fixiert ihr mit dem Mittelfinger der Hand, mit der ihr später die Linse aufsetzen werdet, das Unterlid. Führt nun erneut den Zeigefinger langsam in Richtung Auge und wiederholt dies einige Male, bis es anfängt, sich «normaler» anzufühlen.

Nun seid ihr bereit für eure Kontaktlinse.

Wascht euch nochmal gründlich die Hände, nehmt die Kontaktlinse aus der Verpackung und setzt sie euch auf die Fingerspitze des Zeigefingers. Bevor ihr sie Richtung Auge bewegt, schaut nochmal, ob die Linse richtig herum auf dem Finger sitzt. Dabei hilft folgendes Bild:

  • Die Linse sieht aus wie eine Schüssel – sie sitzt richtig herum.
  • Die Linse sieht aus wie ein Teller, die Ränder neigen sich leicht nach aussen – ihr müsst die Linse umstülpen.

 

Nun wiederholt ihr das, was ihr bereits bei der Trockenübung gemacht habt: Das Auge mit den beiden Mittelfingern sanft aufhalten und dann den Zeigefinger – diesmal mit der Kontaktlinse an Bord – zum Auge bewegen. Kurz bevor ihr Kontakt mit dem Augapfel habt, werdet ihr merken, dass sich das Auge die Kontaktlinse fast von ganz allein «holt», sprich: Ihr braucht gar nicht aufs Auge fassen, wie befürchtet. Toll, oder?

Wenn die Kontaktlinse beim Aufsetzen runterfällt…

…hebt sie auf und spült sie gründlich mit dem passenden Pflegemittel ab, bevor ihr den nächsten Versuch startet. Sollte es beim fünften Mal noch nicht geklappt haben, legt eine kurze Pause ein. Atmet tief durch, lauft ein bisschen herum, hört euer Lieblingslied, kurz: macht euch locker. Und dann startet den nächsten Versuch. Dieses Mal könnt euch mit einem Trick behelfen: Schaut beim Aufsetzen der Linse nicht direkt auf den herannahenden Finger, sondern zum Beispiel nach oben. Sobald das Auge Kontakt mit der Linse hat, wird es sich diese holen und automatisch an die richtige Position schieben.

Sollte es nach drei Durchgängen á fünf Versuchen immer noch nicht gehen, reibt die Linsen gründlich ab, legt sie in den Aufbewahrungsbehälter, füllt diesen mit Aufbewahrungslösung und gönnt euch und euren Augen eine Pause. Morgen ist ein neuer Tag und vermutlich werden die Übungen vom Vortag erste Früchte tragen und euer Auge nicht mehr ganz so schnell dicht machen.

Kontakltlinsen aufsetzen

Für den Fall, dass sich gar keine Verbesserung einstellt, macht einen erneuten Termin bei eurem Anpasser oder eurer Anpasserin. Manchmal übt es sich gemeinsam einfacher und mit Sicherheit könnt ihr euch noch den einen oder anderen Trick abholen.

Ihr schafft das ganz sicher! Alle, mich eingeschlossen, haben so angefangen. Schon nach wenigen Tagen oder Wochen wird das Aufsetzen nur noch wenige Sekunden dauern und ihr werdet euch fragen, warum es eigentlich jemals ein Problem war. Dann schreibt ihr vielleicht Blogs und gebt eure Erfahrungen mit Kontaktlinsen an andere weiter. Oder ihr schiebt euch einfach lässig die Sonnenbrille auf die Nase und geniesst das Gefühl, wunderbar zu sehen, egal was der Tag so bringt.