Ich trage seit über 25 Jahren Kontaktlinsen. Zu behaupten, dass immer nur alles glatt ging und ich nie Probleme mit meinen Linsen hatte, wäre gelogen. Mehr als einmal habe ich die kleinen Sehhelfer verflucht; hätte (sie) am liebsten hingeschmissen und mich in mein Brillen-Schicksal ergeben. Was passiert ist und warum ich heute immer noch Kontaktlinsen trage? – Lest selbst.

Teenager und Kontaktlinsen: Gute Zeiten, schlechte Zeiten

Mein 16-jähriges Ich: Die Brille nervt, mein Körper nervt, meine Augenfarbe nervt. Meine Eltern nerven, weil sie wissen, wollen, was mich denn an meiner Brille, meinem Körper und meiner Augenfarbe nervt.

Teenagers with chewing gum

Foto von Cristiano Silva auf pexels.com

Sie willigen ein, dass ich Kontaktlinsen probiere, und vereinbaren mit mir einen Termin beim Optiker. Überglücklich starte ich in mein Leben ohne Brille und fühle mich grossartig.

Nach ein paar Monaten mit farblosen Linsen rückt das «Projekt Augenfarbe» wieder auf den Plan. Statt grüner Augen trage ich nun – dank meiner neuen Farblinsen – blaue Augen. Die erstaunten Blicke meiner Mitschüler:innen sind mir sicher, zumal die blauen Linsen meine natürliche Augenfarbe nicht komplett überdecken, sodass meine Augen in einem wilden Mix aus Blau und Grün daherkommen. Ich geniesse die Aufmerksamkeit und trage die Linsen jeden Tag so lange die Augen mitmachen.

Irgendwann machen sie leider nicht mehr mit. Auf den Wow-Effekt folgt der Au-Effekt. Meine Augenärztin sagt, dass meine Augen über längere Zeit nicht genügend Sauerstoff bekommen haben und erteilt mir Linsen-Verbot. Schneller als mir lieb ist, habe ich wieder die ungeliebte Brille auf der Nase. Erst Monate später fange ich zaghaft und stundenweise an, wieder Kontaktlinsen zu tragen. So angenehm wie zuvor wird das Tragen aber nicht mehr. Ich ärgere mich über mich selbst und akzeptiere, dass es ganz ohne Brille leider nicht geht.

Meine Learnings aus dieser Zeit

  1. Kontaktlinsen sind ein Fremdkörper auf den Augen. Entsprechend sollte man es mit der Tragedauer nicht übertreiben.
  2. Kontaktlinsen ersetzen die Brille nicht vollständig. Es ist wichtig, den Augen eine Linsenpause zu gönnen und in dieser Zeit die Brille zu tragen.
  3. Farblinsen machen Spass, sind aber nicht für das tägliche Tragen geeignet, sondern eher etwas für besondere Anlässe. Denn die Farbschicht kann die Sauerstoffversorgung des Auges empfindlich beeinflussen.

Karriere mit Kontaktlinsen: Die gläserne Decke lauert überall

Ich mit Mitte 20. Mein erster richtiger Job nach der Uni. Ich sitze jeden Tag mindestens acht Stunden am Bildschirm. Die Arbeit macht Spass, aber schon zur Mittagspause merke ich, dass sich meine Augen müde und trocken anfühlen.

sleeping with contact lenses

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Ich habe die Befürchtung, dass sie wieder unter Sauerstoffmangel leiden. Nachdem ich mich eine Weile mit den verschiedenen Arten von weichen Kontaktlinsen beschäftigt habe, steige ich ohne vorherige Rücksprache mit meinem Optiker von Hydrogel- auf Silikonhydrogellinsen um. Linsen im Internet zu kaufen ist mittlerweile so einfach wie nie. Es gibt eine grosse Auswahl an Kontaktlinsen-Shops. Ich bestelle Linsen, die die gleichen Dioptrienwerte und die gleiche Grösse wie meine bisherigen Linsen haben; lediglich das Material ist ein anderes.

Die ersten Tage mit den neuen Linsen sind gut, aber dann merke ich, dass sich immer häufiger nach dem Aufsetzen ein milchiger Film auf den Linsen bildet. Ich bin genervt, lasse die Linsen weg und trage zum Arbeiten meine ungeliebte Brille. Ein Kontrolltermin beim Optiker ergibt, dass die Silikonhydrogellinsen zwar sehr sauerstoffdurchlässig, aber für meine Augen ungeeignet sind. Der Grund: Mein Tränenfilm hat einen hohen Lipid- (also Fett-)Anteil. In Kombination mit Silikonhydrogel entsteht der milchige Schleier. Er rät mir, bei Hydrogellinsen zu bleiben und passt mir entsprechende Tageskontaktlinsen an. Mit diesen bleiben meine Augen auch vor dem Bildschirm länger frisch. Ganz ohne mein Zutun geht es aber nicht. Ich achte auf regelmässige Pausen, lüfte vor allem im Winter stündlich durch und trinke ganz bewusst viel Wasser über den Tag verteilt. Zudem habe ich immer meine Ersatzbrille sowie ein kleines Set aus Pflegelösung und Aufbewahrungsbehälter in meiner Schreibtischschublade parat. So kann ich die Linsen auch mal absetzen, wenn die Arbeitstage lang sind oder ich müde in den Tag starte.

Meine Learnings aus dieser Zeit: 

  1. Nur weil bestimmte Kontaktlinsen auf dem Papier «die besten» sind (weil sie zum Beispiel am meisten Sauerstoff durchlassen), heisst es nicht, dass sie auch optimal für meine Augen sind.
  2. Wie gut Kontaktlinsen geeignet sind, lässt sich immer nur im Zusammenspiel mit anderen Faktoren, wie dem Tränenfilm, beurteilen.
  3. Kontaktlinsen auf eigene Faust im Netz zu bestellen, ist keine gute Idee und führt hinterher meist zu mehr Aufwand, als wäre man gleich zum Anpasser oder zur Anpasserin gegangen.

Neue Prioritäten, neue Kontaktlinsen

Ich mit Mitte 30. Längst vergessen sind die Befindlichkeiten aus meinen Teenie-Tagen. Ich mag mich und meine Augenfarbe. Überhaupt gibt es für mich in dieser Lebensphase etwas, was so viel wichtiger ist als die Frage, ob meine Augen zu grün oder zu wenig blau sind, oder ob ich vor dem Bildschirm ausreichend oft blinzele. Denn Kind Nummer eins ist unterwegs. Der Bauch wächst und die Hormone fahren Achterbahn. Schon in den ersten Wochen der Schwangerschaft spüre ich, dass sich auch das Sehen verändert.

belly of a pregnant woman

Foto von Camylla Battani auf Unsplash

Meine Kontaktlinsen machen sich schon kurz nach dem Aufsetzen deutlich auf dem Auge bemerkbar, ein Gefühl, welches ich seit meinem ersten Bildschirmjob damals nicht mehr kannte. Ich kaufe Augentropfen, fange aber zunehmend an zu zweifeln, ob es so gut ist, sich jede Stunde Augen und Linsen zu tropfen. Auch meine Sehkraft in die Ferne lässt zu wünschen übrig. Ausgerechnet jetzt, im Sommer bei Aussentemperaturen von 30 Grad, muss ich zur Brille greifen. Der Zeitpunkt könnte schlechter nicht sein. Denn mir geht permanent die Puste aus und ich komme schnell ins Schwitzen, sodass die Gläser der Brille ständig beschlagen. Nie wollte ich meine Kontaktlinsen sehnlicher tragen als jetzt.

Ich gehe zu meinem Anpasser und heule mich aus (im wahrsten Sinne des Wortes; die Hormonumstellung hat mich äusserst feinfühlig werden lassen). Er findet tröstende Worte, vor allem aber auch eine Erklärung für den schwindenden Tragekomfort meiner Linsen: Denn nicht nur halsabwärts verändert sich mein Körper aufgrund der Schwangerschaft. Auch die Augen sind vom neuen Hormonhaushalt beeinflusst und wachsen mit. Das erklärt sowohl die verminderte Sehkraft als auch mein Störgefühl beim Tragen meiner sonst so geschmeidigen Kontaktlinsen. Er passt mir neue Linsen an; ich falle ihm vor lauter Dankbarkeit um den Hals (again: die Hormone). Das Schwitzen und Schnaufen wird in den Wochen danach natürlich nicht besser. Mit beschlagenen Gläsern muss ich mich aber fortan nicht mehr herumplagen. Und auch die vor Freude und Kummer und all den überbordenden Gefühlen verweinten Augen kann ich fortan wieder hinter einer ganzen Palette an stylischen Sonnenbrillen verstecken.

Meine Learnings aus dieser Zeit:

  1. Einmal Kontaktlinsen, immer Kontaktlinsen? – Das würde ich unterschreiben. Allerdings brauchen die unterschiedlichen Lebensphasen mitunter auch unterschiedlichen Arten von Kontaktlinsen.
  2. In sensiblen Lebensphasen ist es umso wichtiger, einen Optiker oder eine Optikerin zu haben, dem oder der man vertraut.
  3. Es gibt für fast jede körperliche Konstitution auch die passende Kontaktlinse. Sie zu finden gelingt am schnellsten und am verlässlichsten mit einer fachkundigen Person an seiner Seite.

Zwischenfazit: Ich habe in meinem Leben schon so manche Kontaktlinse kommen und gehen sehen. Mich gänzlich von den kleinen Sehhelfern zu verabschieden, kam für mich nie in Frage. Das wurde mir immer dann besonders bewusst, wenn ich gezwungen war, auf sie zu verzichten. Ich bin gespannt, was das Leben mit Kontaktlinsen noch so bereithält. Nächste Station (vermutlich): Alterssichtigkeit. Ich werde berichten.